Leider ist das Haus sehr weit weg von unserer Arbeit in und wir sind auf den Jeep der BMI angewiesen, um Nicolas in die Kinderkrippe zu bringen, denn ohne Auto muss man entweder 3 verschiedene Busse nehmen und dann noch eine Viertelstunde gehen bis zur Krippe, was etwa eine Stunde braucht, oder 20 schnelle Gehminuten zu Fuss gehen (mit Nicolas schätzungsweise 40 Min.) und dann noch einen Bus nehmen und wieder eine Viertelstunde gehen. So werden wir wahrscheinlich Anfang Jahr ins Barrio 1° de Mayo umziehen. Dort ist die Pfarrei situiert, in deren Sozialprojekt (FUNDASE) wir arbeiten und mit der wir gute Kontakte geknüpft haben. Die neue Wohnung wird dann in Fussdistanz von der Arbeit, der Krippe und diversen kleinen Einkaufmöglichkeiten sein. Auch werden wir dann näher von La Paz und von Achocalla sein, wo Nicolas nächstes Jahr in den Kindergarten gehen wird.
Julien: hat sich im Kürmi schon etwas eingelebt und seine ersten Aktivitäten mit den Jugendlichen gemacht. Die Nachmittage von Dienstag bis Freitag verbringt er mit der weissen Gruppe (grupo de los blancos), Adoleszente von 13-16 Jahren. Alle diese Kinder stammen aus schwierigen familiären Verhältnissen. Zum Teil sind sie rechts schwer zu führen, es hat einige mit deutlichen Verhaltensauffälligkeiten, andere mit leichten intellektuellen Defiziten. Julien ist daran, Ideen zu entwickeln und umzusetzen, um den Kindern einen Rahmen zu geben, in dem sie ihre Fähigkeiten und positive Werte entwickeln können.
Ausserdem hat er festgestellt, dass es in der Organisation der Institution Kürmi (Regenbogen in Aymara) und der Begleitung/Führung der Kinder und Jugendlichen noch viele Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Er hat seine Unterstützung zur Verbesserung dieser Situation angeboten, was von Mónica der Direktorin vom Kürmi dankend aufgenommen wurde.
Nicolas: Amaru, der Sohn von Eva war Nicolas erster Spielgefährte hier in El Alto und Nicolas war ganz traurig über den Abschied und wollte auch nach Deutschland fahren. Nun geht er seit Mitte-Ende September regelmässig in die Kinderkrippe Beata Piedad, die auch zur FUNDASE (Fundación sembrar esperanza = Stiftung Hoffnung säen) gehört, in der wir arbeiten. Der Anfang war hart für ihn, als er nichts verstand und sich nicht ausdrücken konnte und entsprechend auch nicht verstanden wurde. Aber nach etwa 10 Tagen hatte er es geschafft, mit ein paar Brocken Spanisch und Händen und Füssen erste Beziehungen zu den Kindern zu knüpfen. In der Zwischenzeit geht er richtig gern hin und schwatzt schon viel auf Spanisch (wenn auch noch nicht grammatikalisch korrekt) und vermisst seine neuen Freunde am Wochenende. Vor ein paar Wochen war das 2. Festival des Theaters und der Poesie in seiner Kinderkrippe, wo die Kinder in Gruppen Lieder, Gedichte und Theater präsentierten. Ich hatte etwas den Eindruck, die Kostüme seien fast wichtiger als der Inhalt. Nicolas hat 3x mitgemacht (=3 Kostüme, von denen ich 2 innerhalb von 48h auftreiben bzw. fabrizieren musste): Einen Monster-Tanz (zur Musik Thriller von Michael Jackson), ein Gedicht (ein 16-Zeiler, ich bin ganz stolz auf seine Fortschritte im Spanisch. Er hat noch nicht alles verstanden, was er aufgesagt hat, aber das meiste schon) und das Theaterstück der 4 Músicos (= Bremer Stadtmusikanten). Sie waren süss, die kleinen auf schön dekorierten Bühne!
Monika: Nachdem ich mich zuerst um die Integration von Nicolas in der Krippe gekümmert habe, werde lch nun langsam aktiv im Centro de Salud, d.h. ich mache meine ersten Konsultationen selber, so merke ich nun viel konkreter, wo mir die spanischen Begriffe noch fehlen. Es ist unglaublich, mit wie wenig Labor und Geld hier Medizin gemacht wird, so muss man für jede Untersuchung und Therapie dreimal überlegen, ob sie wirklich ganz unumgänglich ist, denn die Leute (die meisten Aymara in ihren traditionellen Trachten) können sich diese fast nicht leisten. Obschon das Zentrum klein ist, fehlt es nicht an spannenden Fällen (für medizinisch interessierte: Bauchfell-Tuberkulose, Malaria, Gallengangsinfektion, Nephrotisches Syndrom, diabetische Ketoazidose, Paget Disease, Vd.a. Lupus Erythematodes, Miliartuberkulose, diverse fortgeschrittene Karzinome und viele unklare Dinge, weil die Diagnostik (MRI, Biopsien,...) so teuer ist, dass die Leute sich diese und wie auch die Therapiekosten einfach nicht leisten können). Schon eine Blutzuckermessung übersteigt oft das Budget.
Jubner Huayllani, der Direktor des Gesundheitszentrums ist ein netter bolivianischer Arzt, der mir versprochen hat, dass er mir Kontakte vermittelt, um auch noch das staatliche Gesundheitssystem kennenzulernen. Das Team des Gesundheitszentrums ist mehrheitlich bolivianisch, verstärkt durch 3 teilzeitlich arbeitende spanische Ärzte, die in der Allgemein- und Palliativmedizin tätig sind. Die Atmosphäre ist sehr herzlich und partnerschaftlich, bei schwierigen Fällen setzt man sich zusammen und diskutiert mögliche Lösungen, man fragt sich gegenseitig um Meinung und Rat, wenn etwas unklar ist. Ich wurde nun auch angefragt, ob ich zusammen mit Jaime (bolivianischer Allgemeinmediziner) die Fortbildung reorganisieren könne...
Ende September habe ich einen Vortrag an den „Internationalen Tagen der Notfallmedizin“ des Ärztekollegiums von El Alto gehalten (eine bereichernde Herausforderung auf Spanisch) und ausserdem meine Unterstützung im Gesundheitsbereich der Beata Piedad (Krippe von Nicolas) angeboten, wo ich einen Workshop über Kinderkrankheiten gehalten habe (nicht das typische Thema einer Internistin, gleichzeitig war es auch mein erster Gesundheitsvortrag / Workshop für Laien, so passt man sich an...).